Kapitel 19Flucht. Von Angst und Unmut getrieben setze ich mich also in meinen Volvo, der ebenso viele Tage hinter sich hat wie ich und fahre diesmal ohne Begleitung davon. Nach Holland. Auch wenn ich weiß, dass ich wohl früher oder später, wahrscheinlich am selben Tag noch, zurück muss. Meine Gedanken sind bestimmt von Verdrängung so wie ich mit meiner Flucht meine Verantwortung für mein Leben verdränge. Ich will eine Auszeit, aber kann man die überhaupt haben? Man kann nicht vor dem Leben fliehen, denn spätestens wenn man wieder aufwacht, holt einen alles ein und wenn man es dann mit Alkohol versucht, macht man es wohlmöglich noch schlimmer. Denn auch wenn man es nicht mitbekommt handelt man, selbst im Nichthandeln, und dann eventuell noch so wie man es garnicht will. Also Alkohol: Keine Option für mich. Trotzdem hat mein Fluchttrieb gegenüber meinem Verstand gewonnen, sonst würde ich nicht in meinem Auto sitzen und Meter um Meter hinter mich bringen. Immer weiter fort, immer näher an ein Ziel: Ans Meer. Die Fahrt selbst tut schon gut und es überkommt mich auch kein schlechtes Gewissen gegenüber allen die ich zurücklasse. Spätestens als ich auf die Dünen zufahre, vor ihnen auf den Parkplatz abbiege um sie zu Fuß zu überwinden und den Blick aufs Meer zu erwarten, geht mit der Sonne vor meinen Augen, die Leere in meinem Inneren unter, und wie die Nacht den Himmel, nimmt die Begeisterung für die Welt, mich ein. Zumindest für den Moment in dem ich dort auf den Steinen sitze, und es genieße wie die Wellen immer wieder versuchen eben diese einzunehmen. Und es kommt mir vor als ob jede Welle die an mir vorbeirauscht eine Last von mir abspült und mit zurück ins Meer zieht. Schön, dass es so viele Wellen sind.
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