Zára IVLangsam, Schritt für Schritt trat ich auf das Dunkel zu, tastete mich dabei an der Wand endlang. Nach wenigen Schritten gelangte ich an eine Gittertür. Dahinter lagen Holzspäne und ein verrostetes Türschloss. Ich war also an dem Gitter angelangt, hinter dem ich vor einiger Zeit noch stand. Wann war das? Letzte Nacht? Vor einem Jahr? Vielleicht auch vor fünf Minuten. - Geh nicht! Ich wandte mich um. Die Stimme klang direkt in meiner Seele. Ich konnte keine Quelle ausmachen. Es war mehr so, als wäre ich die Quelle dieser Stimme. Sie war so fein und zerbrechlich, so klar wie ein Wassertropfen im Gebirge. - Bitte, bleib bei mir. - Wer bist du? - Zára - Was ist das: Zára? - Ich… Soviel also dazu. - Wenn ich dir etwas von meinem Blut gebe, wärest du an mich gebunden? - Ja. - Verträgst du es? Keine Antwort. Tief in mir regte sich ein Gefühl der Zuneigung für dieses Geschöpf. Wenn es von mir abhängig wurde, konnte ich ihm also auch fast vertrauen. Vertrauen…was ist das eigentlich? Ich öffnete meinen Mantel. Der Stoff an meiner Hand war längst durchtränkt vom Blut. Ich richtete meine Faust gegen die Dunkelheit und öffnete sie langsam, als wolle ich ihr etwas reichen; mein Blut. Wie Gewebe umschloss die Dunkelheit meine Hand. Kälte umgab mich, doch meine Hand war warm. Von Zára ging scheinbar eine Geborgenheit aus, die ich sonst nirgends mehr fand. Sie also hatte ich gesucht. - Genug. Die Dunkelheit zog sich zurück. Meine Hand hatte aufgehört zu bluten, die Wunde schien sich geschlossen zu haben. Nur eine rosafarbene, verkrustete Narbe war noch zu sehen. Dann verschwand die Dunkelheit, als glitte sie zu ihrem Ursprung zurück. Langsam konnte man den ganzen Raum sehen. Ich stand nur an der Seite eines vor mir fliehenden Raumes, mit einem Wasserbassin an der linken Seite neben dem Gitter. Das schwarze Gewebe konzentrierte sich zu einem Kokon an der Wand hinter dem Bassin. Das Schauspiel dauerte dort noch eine geraume Zeit an. Dann verharrte die Finsternis und fiel wie ein Mantel zurück. Jetzt sah ich erst ihr Gesicht. Es war marmorweiß und doch konnte man keine Konturen sehen. Es war wie in ewigen Schatten gehüllt. Sie hing an ihren Armen gefesselt, umgeben mit schwarzem Stoff, der kein Licht zu haben schien. Schwarz wie die Nacht. Nur in ihrem Haar schimmerte es wie Sternenlicht. Ihre schwarzen Augen aber glänzten wie das Meer bei Neumond. - Du bist also die Nacht - Dann bist du der Mond. Ich band sie los. Sie glitt in meine Arme, schien noch schwach nach all der Zeit. Doch das verging. - Lass mich in deine Augen sehen, mein Mond - Ich liebe dich! Mit einem Male war sie wieder auf den Beinen. Hinter mir, gegenüber des Gitters lag ein Gang. Er schien an seinem Ende schwach erleuchtet. Von dort drangen die Stimmen der Trolle. - Überlass sie mir. Sie glitt an mir vorbei und ich sah Steine in ihrem Gefolge. Dann hörte ich, wie prasselnder Regen von Steinen gegen nackte Haut schlug und Knochen zerbarst. - Komm! Ich stieg über die noch zuckenden Leiber der Trolle hinweg zu der Tür. Sie stand bereits offen und vor mir im Tunnel breitete sich Záras wärmende Finsternis aus. - Warte, Zára. Draußen ist es Tag - Was ist Tag? - Es ist nicht für dich. Tag ist nicht Nacht. Ich bin dein Mond, aber trage ich in mir auch einen Dämon, Lúzifer. - In deinen Augen wohnt der Mond, Dämon - In deinen Augen wohnt die Nacht, Schattenelfe - Ich warte hier, Geliebter. - Ich werde wiederkommen. - Ich weiß. Mit diesen Worten ging ich… Luc |