gefangen
"kind, so kann das doch nicht weitergehen" und drangsalierte mich mit irgendwelchen dahergelaberten sprüchen, man soll den kopf nicht hängenlassen.
ich fragte, nach seiner sitzung: wann nimmt das ein ende?" die zynische bemerkung überhörte er einfach und schrieb mir wieder medikamente auf. so ein tölpel.
ich nehme mir jedesmal vor, nicht zu seiner sitzung zu gehen, doch irgendwie lande ich doch bei ihm. seine hohlen augen kotzen mich an. seine eingefallenen wangen höhlen mich aus wie seine augen. ich steh das nicht länger durch. ich gehe, ich gehe, hören sie mich doc? ICH GEHE!!!
und morgen steht er wieder an meinem bett, mit seiner weißen kutte. da haben wirs. "der tot ist doch nicht der bessere weg." und im hintergrund wetzen sie die sensen. ich will wieder in den regenbogen blicken...
zwei tage dannach, der brunnen im sanatorium, er ist heute leer. die karpfen sind davongeflogen. die eichhörnchen haben sie gefressen und meinem arzt verschohnt. wo bleibt nur das leben? es hat verspätung, sollte mich hier und jetzt abholen. aber sicher darf es nicht durch die schwarze eisenpforte hinaus an die frische luft. sie ist so...unglaublich.
ich verlor meine geduld und trat die panzerplatten ein. doch sie gaben nicht wie gewohnt den dumpfen hall von sich sondern zersprangen wie papier. dann breitete ich meine flügel aus, und flog davon...
schweißgebadet lag ich im bett, der spiegel, ich hörte ihn leise kichern. heute nicht mein freund. heuta habe ich flügel und du bleibst allein mit deiner lüge. die wahrheit bilde ich mir selbst.
spieglein spieglein an der wand,
was halte ich hier in meiner hand?
ein stein so zierlich und so fein
wird deiner lügen strafe sein!!!
ich bin gegangen und habe mich nicht umgesehen. und wieder schien die sonne und die vöglein sangen und ich, durch das laub tobend sang ich auch.
verdammte welt da draußen. hört ihr denn niemand zu? man solte strickt die menschen von der welt an sich trennen. der regen, die sonne. ich kann ihr kind nicht sehen. siehst du etwa den regenbogen?
die nacht ist kalt und die straßen leer. der regen hat den staub vom asphalt und die menschen von den gehwegen gewaschen. die sterne spiegeln sich matt in den schwarzen pfützen am straßenrand. ölspuren verschleiern den blick auf den mond. tief in mir brennt irgendetwas warmes, warm genug, die kälte zu vertreiben.
das messer funkelt kalt im silbernen mondlicht. schwarz würde das blut daran herunter laufen. aber dort ist kein blut. nicht ein tropfen. und dort wird nie ein tropfen sein...
seine weiße haut, sein muskulöser körper fesselt meinen blick. jede bewegung seiner glieder schimmern unter dem hautengen shirt. sogar durch den ledermantel. seine langen nussbraunen haare wallen im wind. trotz seiner eher grazilen figur ist sein schritt schwer. die stiefel offen und die hosenbeine nachlässig darübergeworfen. sein eisblauer blick ist auf die untergehende sonne gerichtet, den vollmond im rücken.
niemals könnte ich... jeden, nur nicht ihn. doch er ist es... er muss es sein. keinen anderen...
die sonne geht auf. kufergold legt sich auf die erwachende stadt. das messer... auch diese nacht blieb es leer und musste hungern nach seinem blut...
er traf mich das erste mal auf der straße. seine augen streiften dabei nur leicht mein gesicht, doch seine blicke stachen unter seiner sonnenbille hervor wie sicheln. für kurze zeit schien es mir, als belebte sich mein gesicht zu einem lächeln. seine maske blieb jedoch starr und kein zucken lief über seine vollen lippen. mit wehendem mantel schritt er vor mir davon.
nächtelang träumte ich von ihm, dachte nur an ihn und konnte keinen klaren gedanken fassen. ich verbrachte jeden tag dort, wo ich ihn zuerst sah; in der kaufhalle sah man mich schon verwundert an. dann nahm ich bei ihnen einen job an der kasse an. doch nicht in der kaufhalle erfüllten sich meine träume.
wieder sah er mich erst nach fünf wochen, drei tagen und vier stunden (die minuten und sekunden erspare ich mir). diesmal jedoch achtete er mehr auf mich. sein blick streifte jetzt nicht nur mein gesicht. ich konnte seine augen aufmerksam meinen körper mustern spüren. ein weiches prickeln lief über meine haut, als scanne er jeden zentimeter meiner haut.
"oberflächenscan abgeschlossen captain, soll ich mit den bohrungen anfangen?" "nein scotty. wir lassen uns den spaß für hinterher, erst kommt die arbeit!"
mehr als seinen blick bekam ich nicht zu spüren. nichteinmal den hauch von wollust oder dergleichen. es bestürzte mich, dass er scheinbar nichteinmal gefallen an mir fand.
vielleicht bin ich auch nicht sein typ? oder er hat eine freundin? ist er vielleicht schüchtern? soll ich es wagen und ihn ansprechen?
er trat an die kasse und blickte ins lehre. 'jetzt oder nie' "hallo!" und das beste lächeln aufgesetzt, nicht zu gekünstelt. "Hi" für den bruchteil eines augenblicks huschte ein lächeln über seine lippen und entblößten seine weißen zähne. blumenkohl, kartofeln...er hat eine freundin, die er bekocht, oder er hat viel freizeit. zumindest trägt er keinen ehering, das ist schonmal etwas. "hast du hute abend was vor?" so eine peinliche frage, und das an der kasse...wie rette ich mein loses mundwerk jetzt und verstecke meine eigne angst? er sieht mich durchdringend an, als wolle er mich für die frage durchbohren, was ich mir erlauben könnte..."wegen des einkaufs mein ich. blumenkohl und kartofeln sind sicher nicht zum in den kühlschrank legen." "achso, ja, nein...ich koch mir nur was kleines." - "du kochst für dich allein? da würden mir ja tütensuppen genügen." (phu, grad so gerettet) "wenn dus doof findest, dass ich allein esse, leiste mir doch gesellschaft..." das hatte ich nicht erwartet. wenn ich jetzt nicht sofort versinke oder in ein mauseloch mich verkrieche, steh ich den rest des tages nicht durch... "okay!" - "wann hast du schluss? ich hol dich ab." - ich bin bis ladenschluss hier..." - kein problem, dann sehen wir uns, wieviel?" ...
so viel zum thema freundin bekochen...
er hat einen ring an seinem mittelfinger.
einen einzelnen ring und nicht mehr. ich bin bei ihm zum essen geladen und er holt mich ab. wir haben gegessen und uns unterhalten, mehr auch nicht, aber ich konnte nichts aus ihm herausholen, stattdessen hatte ich den eindruck, mein ganzes leben an diesem abend vor ihm auszubreiten... und er bleibt das ewige rätsel.
gestern nacht verband er mir die augen und nahm meine hand. "halt dich fest, ich führe dich" dann nam er mir auf dem dach die binde ab und sagte: "sieh dahin, wir werden gemeinsam zum sonnenuntergang fliegen." jetzt nahm er mich in den arm und plötzlich hatte er schwingen. wir stießen uns vom hausdach ab und flogen zu den sternen...
"bist du sicher, dass du ihn wirklich getroffen hast? möglicherweise ist er nur ein traum?"
"nein, nein dass ist er nicht!!! er ist das leben in person, er ist echt, es muss ihn noch geben!"
"aber wir können niemanden mit diesem namen finden und auch der polizei ist sein bild nicht bekannt. kannst du dich noch erinnern, wo du damals gearbeitet hast?"
"nein"
"du weißt, dass wir alles getan haben, ihn zu finden, damit deine geschichte auch hand und fuß hat. doch anscheinend hat es ihn nie gegeben..."
" aber wer soll mich dann sonst vom hausdach..."
"das hatten wir doch längst...!"
"aber..."
"kein aber...!"
"aber!"
"WÄRTER!!!"
die zelle ist immernoch so klein wie gestern und sie scheint von mal zu mal kleiner. weiß sind die wände, schwarz ist der schatten unter dem bett. doch der schatten ist nicht leer. tief im schatten sitzt er und wartet auf mich. ich kann seine lederschwingen rascheln hören... er ist gekommen, mich...
Luc