Der HundWeisst du, manchmal fühle ich mich wie ein kleiner Hund, der in einem irgendwie dunklen Zimmer eingesperrt lebt, in das niemand hineinkommen kann. Vielleicht nicht, weil er nicht kann, vielleicht, weil er nicht darf, weil etwas, dem dieses Zimmer samt meiner selbst als der kleine Hund darin gehört, es nicht erlaubt. Niemand darf reinkommen. Ich bin allein da drin. Ich hab ein Fenster zum Rausschauen, das ist alles. Und so hab ich schon ganz lange gelebt, da drin, allein, schon so lange ich denken kann. Und eines Tages... eines Tages, da ist die Tür aufgegangen und du bist reingekommen zu mir. Und du hast mich gefüttert mit deinem schönen Licht und du hast zu mir gesprochen mit deiner schönen Stimme und du hast mich gestreichelt mit deinen schönen Händen und alles an dir fand ich schön, so schön, als hätte ich niemals zuvor etwas Schöneres gesehen, vielleicht war es so, vielleicht kam es mir so vor, weil noch niemand so nah bei mir sein durfte. Und ich hab auf dich gewartet und mich gefreut auf dich, jedes Mal, und jedes Mal, wenn du wieder zu mir herein kamst, habe ich mich so sehr gefreut, war so euphorisch. Mein dunkles Zimmer war hell und freundlich, wenn du mit mir zusammen warst. Und ich wollte ein guter Hund sein, gut darauf aufpassen. Ich war eifersüchtig, ich wollte dich nicht teilen mit anderen, wollte, dass du nur zu mir kommst. Ich wollte es zügeln, aber es ging schlecht; ich habe kaum noch aus dem Fenster geschaut, immer nur zur Tür, hab gewartet, dass sie aufgeht, dass du wiederkommst, mich fütterst, zu mir sprichst, mich streichelst, mit mir spielst. Und ich habe so gern mit dir gespielt! Aber ich war manchmal zu wild und zu ungestüm, ich bin halt nur ein kleiner Hund, und dann ist es irgendwann passiert, da hab ich dir zu fest in die Hand gebissen; nicht, weil ich dir weh tun wollte. Ich wollte dir niemals weh tun. Du hast mich davor schon gewarnt, dass ich nicht so wild sein soll. Aber dann war ich es doch und dann ist es passiert und dann hast du deine Hand weg gerissen und mich von dir gestoßen und dann bist du aus dem Zimmer gegangen, wütend, hast die Tür zugeworfen und wolltest nie wieder zu mir hereinkommen. Und ich lag da in der Ecke, in die du mich gestoßen hattest und ich winselte, wie sehr es mir Leid tut. Und ich stand auf und ging zur Tür und scharrte daran und kratzte daran, bis meine Tatzen ganz blutig davon waren und ich hoffte so sehr, du würdest mich hören. Die Tür ist zu geblieben. Manchmal ging das Licht dahinter an, manchmal hab ich deine Stimme gehört, vielleicht hab ich sie mir nur eingebildet, vielleicht auch nicht. Einmal, ein letztes Mal, bist du zu mir ins Zimmer gekommen. Aber du wolltest nicht mehr mein Freund sein. Ich bin um dich rumgeschlichen und hab versucht, dir die Hände zu lecken. Um dir zu zeigen, dass es mir Leid tut. Um dir zu zeigen, dass ich noch dein Freund sein möchte. Dass ich nicht möchte, dass du für immer weg gehst. Aber du warst abweisend, du konntest mir nicht verzeihen. Mir meine Art nicht verzeihen, du wusstest ja, ich würde für immer ein Hund bleiben, dich wahrscheinlich irgendwann wieder beißen und überhaupt - was stellt man auf die Dauer an mit einem kleinen Hund, der in einem Zimmer eingesperrt lebt, in das niemand reindarf ausser du und aus dem er nicht rausdarf, höchstens im Traum oder in Gedanken. Und dann bist du weg gegangen. Und jetzt ist mein Zimmer wieder dunkel und ich bin selbst ganz dunkel geworden. Hab mich auf den Platz in der Ecke gelegt, in die du mich zuletzt gestoßen hast und denke immer wieder daran, wie sehr ich es bereue, dass ich nicht sanfter sein konnte. Und ich vermisse dich so sehr. Ich weiss ja, dass hier unten niemand sonst zu mir rein darf. Was dich reingelassen hat, das hat dir erlaubt, rein zu kommen. Aber es trägt keine Verantwortung dafür, ob du das auch selber willst. Und du willst ja nicht. Ich weiss. Ich weiss ja auch, warum nicht. Weil ich halt nur ein kleiner dummer eingesperrter Hund bin. Und so lieg ich hier auf diesem finsteren Fleck, verschmelze allmälich mit ihm zur Gänze, zerfließend in Reue und Sehnsucht und weiss nur... wenn du nur einmal noch wieder herein kämest zu mir und wenn ich dann noch meinen Kopf heben könnte - ich würde wieder versuchen, dir deine Hände zu lecken. Deine geliebten Hände.
Manchmal denk ich immer noch, deine Stimme von hinter der Tür hören zu können. Dann halt ich jedes Mal meinen Atem an und stelle mir vor, deine Worte währen an mich gerichtet. Ja, ich weiss, dass ich bloß träume. Aber was sonst ist mir geblieben. Was sonst. |