Kaltes Feuer
Es war kalt geworden, der Sommer lag schon weit hinter ihr. Doch in ihrem Herzen Glomm noch immer die Glut der Liebe, der Frühling der Sinne, geweckt durch das bloße existieren der einen Person, die ihr Leben so sehr veränderte, so sehr, dass sie sich wie aufgelöst fühlte. Alles um sie herum war warm, die Konturen weich, das Leben schön. Sie hoffte, dass diesem Zustand niemals Einhalt geboten würde, denn sie wollte auf ewig so Leben. „Ja“, sprach sie, „das muss das Paradies sein, das Paradies auf Erden, von welchem schon die alten Philosophen nur zu philosophieren wussten. Ob sie es jemals erleben durften?“
Sie schritt die Straße entlang, als seien alle Menschen um sie herum Luft, der Alltag war nunmehr nichtig, die Wichtigkeit des Seins zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Eben noch lag sie in seinem starken Arm, nahm den Geruch seiner Haut wahr, fühlte, wie er sanft mit den Fingerspitzen durch ihre Nackenhaare fuhr und wie ebendiese sich sogleich erregt aufstellten, eben noch war sie ein Teil seiner selbst gewesen, und er ein Teil von ihr. Sie liebte ihn, abgöttisch, und selbst der stärkste jemals gefundene Ausdruck für dieses Gefühl konnte nicht ihre Emotionen in Worte fassen, so sehr liebte sie ihn…
Und wie sie so durch die Straßen schlenderte, lichtete sich allmählich der Schleier der Liebe und sah, dass sie nicht alleine war. Sie war es die ganze Zeit nicht gewesen, aber dennoch hatte sie nicht begriffen, dass die Blicke der Passanten ganz auf ihr lagen, einige waren stehen geblieben, sahen ihr nach. Sie schritt noch immer wie auf Wolken, auch wenn langsam die Nebel der Sorglosigkeit von ihr wichen und einem bedrückten Gefühl platz machten. Mit einem Male fühlte sie sich schlecht, ihr war nun nicht mehr zum tanzen und singen zumute, nein, sie wollte weinen, sich auf der Stelle auf den Boden werfen und weinen, so sehr bemerkte sie, dass sie ihn vermisste, dabei war er erst wenige Stunden fort, und würde es noch lange bleiben. Er war fort. Wie lange schon, fragte sie sich. Sie blieb stehen. Als sie zum Himmel hinaufblickte, trieb ihr die kalte Dezemberluft Tränen in die Augen, und sie konnte nicht anders; sie fiel in die Knie und weinte, bitterlich, wie ein Kind, und sie konnte nicht aufhören zu weinen, denn ihre Emotionen spielten verrückt, spielten ihr eigenes, grausames Spiel mit ihr. Dann begann sie zu lachen, während ihr noch immer Tränen aus den Augen quollen, riesigen transparenten Perlen gleich, und ihre heißen Tränen mischten sich mit dem eiskalten Regen und fielen vereint auf den kleinen Rosenstrauch, welchen sie auf seinem Grab gepflanzt hatte.