Um den Tag in achtzig Zelten (15)
Um Himmels Willen
Das Blinzeln fiel ihr erst schwer. Das Atmen auch. So viel Ruß hatte sich entwickelt.
Nun, richtig wach, muss sie lächeln. Krähenfüße in ihrem schwarzen Gesicht. Die Erinnerung nur kurz: Ein Streichholz reichte aus und es brannte die ganze Nacht. Ihr Zelt, plaziert gegen den Wind und ganz am Rande ihres kleinen Grundstückes, ließ vorher nur das Licht der lodernen Flammen in sein Dunkel.
Jetzt war es in Sonne getaucht. So hell wie nie.
Sie räkelt, wühlt sich, träge von der ungewohnten morgentlichen Wärme in ihrem Zelt, aus dem Schlafsack, schlüpft ohne Socken in ihre Clogs und öffnet den langen Reißverschluss nach draußen.
Erschreckt dreht sie den Kopf zurück ins Zelt. Das Licht, flackernd wie ein Stroboskop. Ihre Krähenfüße, nun zum Schutz vor den Blitzen gebildet, die Hand als Dach an die Stirne gelegt, wagt sie einen neuen Schritt ihn ihren Garten.
Journalisten! Der ganze Zaun voll mit ihnen. Daneben, das nimmt sie kurz und sehr zufrieden wahr: Qualmende, eingestürzte Mauern, Reste von Dachbalken, zersplittertes Glas. Das Blitzen erlischt.Nun Donner: Sie alle reden auf sie ein. Fordernde, überwiegend männliche Stimmen. Zögernd geht sie ihnen entgegen. So nah, dass sich aus dem Stimmendonner einzelne Sätze heraushören lassen. Wie in einem Traum die Frage:
"Warum, um Himmels willen, haben Sie das getan?"
Leise und lächelnd ihre Antwort: "Es nahm meinem Garten die Sonne".
la, april 2007