Er verließ seine Braut und kehrte dem Land den Rücken. Es zog ihn zu seiner Geliebten; jeden Tag.
Sie war grausam. Ihre Umarmung war kalt und stürmisch, ihr Atem schnitt sich in seine gegerbte Haut, die benetzt war von salzigem Wasser. Er verteufelte sie und dennoch fuhr er jeden Tag hinaus und gab sich ihr hin. Er stand in dem peitschenden Sturm, das Ruder fest in der Hand und obwohl ihre Kraft ihm durch Mark und Bein drang und ihn erzittern ließ lächelte er, wenn die majestätischen Wellen gegen den Bug krachten.
Er wusste, dass er irgendwann in ihren Armen sterben würde; sie hatte ihm oft genug Leid angetan und im Grunde seines Herzens war ihm klar, dass sie nur mit ihm spielte. Ihre wogende Faust schlug ihm ein ums andere mal klaffende Wunden in den Rumpf, die knarrenden Planken barsten immer wieder unter ihren Berührungen und wann immer das Galion tief in ihren Schoß eindrang, wurde es zerschmettert.
Bei Zeiten, wenn er sie erzürnte, schossen Kaskaden von Blitzen auf ihn hinab und jedesmal betete er, sie solle ihm nur das Segel zerreißen und sein Herz verschonen. Sie spielte mit ihm, und wenn sie ihn tief zu sich nach unten zog, dann nur, um in sein Gesicht zu blicken und zu genießen, wie er mit den Strömungen kämpfte und - dem Tode nahe - ihn wieder aus ihrer Umarmung freizulassen.
Und dennoch stand er jeden Tag im Sturm, das Ruder fest in der Hand, den Blick ihr entgegengerichtet, voller Sehnsucht. Er lag die Nächte wach in seinem Bett und all seine Gedanken galten dem Moment, wenn er sie wiedersehen würde. Es zeriss ihn, an Land zu sein. Er fühlte sich wie ein großer, alter Fisch, dem das Wasser und der Wind das Lebenselixir waren.
Einst spürte er, dass auch sie ihn liebte. Wenn er sanft über ihren wogenden Körper glitt und seine Berührungen sie erzittern ließen, da wusste er, dass auch sie voll freudiger Erwartung sich nach ihm sehnte. Wann immer die Sonne durch die Wolken stieß und sich die Lichtstrahlen zärtlich auf ihrer Haut spiegelten, dann fühlte er sich ihr verbunden und heimisch in ihrem Schoß, wie es nur Verliebte zu spüren vermögen.
Er dachte, ihre Liebe würde ewig halten, doch ahnte er nicht, wie sehr ein gebrochenes Herz die Dinge zu ändern vermochte.
Vor vielen Jahren, es war der kälteste Winter seit Ewigkeiten, lag der Hafen in einem Bett aus Eis. Wie in einem Apltraum erschien es ihm, als er vor seinem schneebedeckten Schiff stand und erkannte, dass er heute nicht zu ihr hinaus könnte. Doch sie wartete auf ihn und dass er nicht kam, hat sie ihm nie verziehen.
In den folgende Wochen beschwor sie die schlimmsten Stürme, die das Land je gesehen hat. Sie umspülte ihn und sein Schiff mit ihrer tiefsten Wut, schmetterte Blitze hinab, die über dem Mast zuckten und ihr Donner erklang wie der schreckliche Groll einer enttäuschten Seele.
Seit diesen Tagen rechnete er stets damit, von ihrer Gewalt verschlungen zu werden. Er spürte, dass sie ihn hasste, doch er fühlte sich auf magische Art zu ihr hingezogen. Seine Liebe fesselte ihn an sie, er war ihr ergeben, selbst wenn es für ihn den Tod bedeuten sollte.
Als er eines Tages, vor nicht langer Zeit, hinausfuhr, fühlte er sich seltsam fremd. Ohne zu wissen warum, sah er sein Ende kommen. Er wusste, dass seine Liebe zu ihr unvergänglich war, aber auch, dass sie ihr nichts mehr bedeutete.
Aus ihren Berührungen sprach nichts mehr, als Verachtung: für sein Leben und für seine Liebe. Woge um Woge brach sich auf dem Deck des Schiffe und ihr Atem riss das Segel entzwei. Verzweifelt umklammerte er das Ruder doch ihr unbarmherziger Griff zog ihn unerbittlich in die Tiefe.
Ihre Schläge brachen mitten durch das Schiff und ehe er völlig verschlungen war, sah er, wie es in den Abgrund stürze.
Und als das Schiff versank und er unter Schmerzen sich eingestehen musste, dass es vorbei war, da sah er noch ein letztes mal ihren Zauber aufblitzen. Als er tief in ihren Schoß eindrang, fühlte er sich ihr nahe wie nie zuvor, ehe er in der Dunkelheit verschwand.