die wunde
kein mensch, nirgends.
hätte ich warten sollen?
ohne zigarette scheint mir warten tödlich. ich gehe. blätter fallen vom himmel, auf denen mit unschöner, doch gerade noch lesbarer schrift irgendetwas geschrieben steht. ich hätte es mir merken sollen.
es wird kühl.
wenig später beginne ich zu frieren. oktober. vom sogenannten „goldenen herbst“ kann keine rede sein. ich sehe schwarz, die nacht kommt früh, ich gehe weiter. inmitten eines hustenanfalls fällt mir ein stein vom herzen. nein, ich träume nicht. schnitt.
unten, im schacht.
ein kleiner junge sitzt auf einer bank und wartet. er wartet auf die u-bahn, die ihn, mitsamt seiner, auf seinen knien befindlichen, soeben auf dem markt erworbenen und nicht mehr ganz so frischen klassikschallplatte, in die außenbezirke befördern wird.
oben ist sommer.
der kleine junge trägt kurze hosen und so passiert es, daß ich, während der kleine junge und ich mit ihm, wir also, eine unsichtbare und stille freude über seine neuerwerbung(vielleicht die erste und einzige und einzig wahre in seinem leben) empfinden, an seinem, mir zugewandten, rechten bein, eine wunde bemerke, wie ich sie vorher, so noch nie gesehen habe.
plötzlich gilt meine ganze aufmerksamkeit nur noch dieser wunde, die, ohne das sie vor äußeren, schädigenden einflüssen einigermaßen geschützt wäre, ich spreche von bandagierung oder ähnlichen methoden, offen getragen wird.
eine zirka 20 zentimeter lange und an ihrer offensten stelle etwa 3 zentimeter breite und ich kann sagen, unendlich tiefe und schwarze, hautlose schlucht, zieht mich in ihren bann. wie ein zentrum, ein punctum, wie ein schwarzes loch, bereit mich aufzunehmen, mich zu verschlingen. kein licht. es scheint, als könne man sich in ihrem schwarz verlieren. schnitt.
ich verlor.
mein bewußtsein. ich hatte geträumt. ich atme tief und spüre etwas schweres. es muß ein stein sein, vermuten die ärzte, die, wie ich soeben bemerke, mit messer und gabel bestückt versuchen, mir die brust zu öffnen. schnitt.