Veröffentlichung von fs vom 01.12.2004 in der Rubrik Leben.
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Burgen Seit wir die alte Burg betreten haben, redest du nur noch von der Faszination und Romantik des Mittelalters. In jedem Stein der verfallenen Mauer erkennst du immer noch eine unglaubliche Schönheit und Stärke, in den uralten Bäumen siehst du die Zeugen der damaligen Zeit. Ich stehe neben dir und versuche deine Begeisterung zu teilen, aber ich kann es kaum. Ich spüre das Vergangene an diesem Ort und es ist nicht so, wie du es dir ausmalst. Wir passieren das große Tor. Du erzählst mir von mächtigen Zugbrücken und Rittern in glänzenden Rüstungen, doch mir ist, als würde irgendeine unsichtbare Kraft mich daran hindern wollen die Burg zu betreten. Noch immer kann ich an beiden Seiten des Weges Soldaten Wache stehen sehen. Der Augenblick vergeht, du hast nichts gemerkt. Auf dem Hof hältst du kurz an und siehst dich um. Wir sind nicht die einzigen Besucher. Kinder tollen laut lachend herum, Eltern versuchen sie zu bändigen. Ein altes Ehepaar schlendert vorbei an den Hinweisschildern. Mein Blick fällt plötzlich auf einen Mann, der von der Mauer zur Mitte des Burghofes flieht. Ein Pfeil streckt ihn nieder. Er krümmt sich zusammen und geht zu Boden. Blut färbt das einfache Leinenhemd rot. Keiner kümmert sich um ihn, seine Leiche bleibt unbeachtet im Hof liegen.
Du stößt mich an und ziehst mich weiter. Du hast etwas neues entdeckt. Ich sehe über die Schulter zurück. Den Mann gibt es schon lange nicht mehr. Mit den Jahrhunderten hat der Regen sein Blut verwaschen und Moose und Gräser sind über die Stelle gewachsen. Niemand denkt mehr daran, es hat auch nie jemand der Leute hier davon gehört. Genau wie von vielem anderen. Deine Stimme lenkt meine Aufmerksamkeit nach vorne. Auf dem Schild steht >Folterkeller<. Ich denke mir nichts dabei, als ich dir die Stufen hinunter in das Gewölbe folge. Du erzählst von der Dummheit der Leute während der Hexenverfolgung und von der sinnlosen Gewalt. Doch ich höre deine Stimme nur wie durch einen Nebel. Die Schreie der Gefolterten sind lauter. Ich drehe eine kurze, qualvolle Runde, dann entschuldige ich mich.
An der frischen Luft fühle ich mich etwas wohler, doch der Himmel verdunkelt sich. Blitze zucken um die mächtigen Türme der Burg. Dann steht das Brunnenhaus in Flammen. Von überall kommen Menschen mit Eimern gelaufen und...Du legst einen Arm um mich und ich blinzle in die Sonne.
Hand in Hand gehen wir hinüber zum Bergfried. Er ist der einzige völlig erhaltene Turm. Als wir oben sind, schwärmst du von der phantastischen Aussicht. Ich beobachte die Stallburschen, die im Hof die Pferde striegeln. Ein Ritter lehnt an einer alten Eiche und sieht einem Mädchen nach, das lächelnd in Richtung Brunnenhaus geht. Dass die Eiche längst gefällt wurde und das Brunnenhaus völlig eingestürzt ist, begreife ich erst im nächsten Moment. Wir schlendern weiter zum Rittersaal. Ehrfürchtig fährst du mit den Fingern über die hölzerne Tischplatte. Du scheinst nicht zu bemerken, dass deine Hand dabei durch Kelche und Teller gleitet. Durch das Fenster höre ich laute Stimmen. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Ich sehe hinaus, doch der Hof ist leer. Der Gesang eines Vogels durchdringt die Stille.
Selbst als wir die Burg verlassen, bleibt in mir dieses Gefühl zurück. Dieser Ort ist mir unheimlich, die Vergangenheit ist greifbar nahe. Ich bin plötzlich sehr dafür, dass Vergangenes lieber vergangen bleiben sollte. Aber du bist immer noch hingerissen vom Anblick der einst so mächtigen Burg auf ihrem Felsen und machst eine kurze Bemerkung über meine Schweigsamkeit. Ich lächle dich beruhigend an. ?Ich bin okay?, sage ich mit einer Gänsehaut auf dem Rücken.
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