Der Vertrauensbeweis Du erzählst mir dein Leid und denkst ich würde es verstehen. Ich kann es nicht. Du weißt bei diesem Thema sind wir zweierlei Meinung, doch du akzeptierst die meine nicht und meinst, so tief unten war ich noch nie. Es tut mir Leid, wenn ich nicht verstehen kann, warum du dir die Arme aufritzt. Es tut mir Leid, wenn ich nicht verstehen kann, dass es dir gut tut, wenn du es tust. Es tut mir Leid, wenn ich nicht verstehen kann, dass du rund um die Uhr darüber reden musst, denn es macht mich krank. Du meinst, ich bräuchte mir keine Sorgen machen, solange du noch darüber redest, würdest du es nie ernsthaft durchziehen. Aber ich sehe doch die neuen Wunden an deinem Arm und die dunkle Strumpfhose kann auch deine zerschnittenen Beine nicht verdecken. Du denkst, es ist ein Vertrauensbeweis, wenn du mit mir ständig darüber redest. Mein gequältes Gesicht ignorierst du dabei. Wenn ich dir bei deinen Problemen helfen könnte, würde ich es tun. Ich sehe nur keinen Weg wie. Du sagst, du hättest eben manchmal solche Anwandlungen. Manchmal wirst du eben depressiv, von einem auf den anderen Moment. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich die Angst packt, wenn ich Tag für Tag deine Narben sehe und weiß, morgen ist sie vielleicht schon nicht mehr hier und ich stand hilflos daneben. |
Mit dieser Art Texten tue ich mich sehr schwer. Ich finde sie oft bei Jugendlichen Goth´s ( oder wie sie sich auch immer nennen)...
Diesen Schmerz, den sie....ich sag mal: feiern, (denn das tun sie in meinen Augen), kenne ich aus meiner Pubertätszeit, hab ihn aber nicht so geäußert sondern meiner Mum regelrecht die Ohren drüber vorgeheult...Insofern kann ich das inhaltlich nachvollziehen...so eine Phase braucht wohl jeder Mensch mal...
Aber auch dieser Text stellt den Schmerz beinahe wie eine Messe in den Vordergrund und den "Vertrauensbeweis" finde ich nicht. Nur Zusehen...fast voyeuristisch...Ist das beabsichtigt so? Dann würde ich einen anderen Titel wählen.
Viele Grüße von der la
Der Vertrauensbeweis ist für mich die Perspektive der Ritzerin, die ihrer Freundin sagt "ich vertraue dir, weil ich mich dir zeige, mit dir darüber rede, dass ich mich ritze". Es ist nur eben keiner, weil die Freundin es nicht aushält und ganz anders empfindet. Ich erlebe den Text auch nicht als Messe des Schmerzes. Ich finde ihn ehrlich, eine Reflektion über die Lage, dabeizustehen, nicht wissen was sie tun könnte, oder sich nicht nicht zu trauen, etwas zu tun. Der Text ist nicht radikal. Er nimmt einfach die Situation auf und beschreibt das erste Gefühl dieser Situation gegenüber. Er formt sich dann am Ende zu einer moralischen Bewegung, die sagt: "ich hätte doch anders handeln gekonnt." Dieses mögliche andere Handeln ist eine spannende Frage für das Weitere. Wie sähe das Gedicht aus, wenn man sich allen Raum zum Handeln nähme? Ich ritze mich auf, noch schlimmer als Du, ich klebe dir Pflaster auf deine zerfetzte Haut, ich stehe an deinem Grab und blute und fluche, und werfe dir Maden auf deinen klaffenden Bauch ... - Du hast unsere Freundschaft mit deiner Rassierklinge missbraucht!
Also es geht definitiv nicht um Gothics und der Schmerz beim Ritzen soll auch nicht verherrlicht werden. Eigentlich genau das Gegenteil.
Es geht viel mehr um den Schmerz, der Person, die zusehen muss, aber nicht helfen kann, obwohl sie es gerne tun würde. Das hat bp genau richtig erkannt