Damals
Wir kommen nicht weiter. Unsere Standpunkte sind zu Eis erstarrt, in dem minimalste Bewegung nur unter marterndem Knirschen von statten geht, um einen winzigen Deut an weiterer Sicht einzuräumen, doch bleibt dabei die Meinung die alte, stagniert, bewegungslos. Ich wollte aussteigen, nachdem wir am Fahrbahnrand hielten, doch jene Thematik gestriffen, vergingen die Minuten, in denen wir uns im Kreis drehten, so zügig, das jenes vermeintlich kurze Anhalten sich zu einer vollen Stunde ausdehnte.
Vieles, das meiste, habe sie verdrängt, wie ich auch, jener segensreiche Schutzmechanismus, der dem Menschen dienlich ist, in Situationen und Begebenheiten die unmenschlich, übermächtig den Geist anfeuern und erhitzen bis auch die letzte Kraft der Bewältigung aufgebraucht, verbrannt ist und uns als kleines Häufchen Elend mit einem noch kleineren Häufchen Asche in der Hand zurück lassen, ohne eben auch nur ein Stück weitergekommen zu sein.Keine Befreiung, weiterhin gefangen. Sie kann sich dennoch an vieles mehr erinnern als ich, ist sie ja auch eine Dekade älter als ich und dem Menschen ist es nur begrenzt gegeben bis zu einem bestimmten Alter seines Lebens zurück zu denken, an welcher Stelle sämtliche Bilder der Erinnerung sich verschleiern, bis sie gänzlich nicht mehr zu ersehen sind, weil man noch zu jung war. So ist sie mir rückblickend um ein paar Jahre voraus, war alt genug um den Bildspeicher zu füllen der noch nicht von ihrem Schutzmechanismus getilgt wurde- ich hingegen war zu klein, als das ich mir Zugang zu jener Zeit verschaffen könnte.
Es zeigt sich mir innerhalb dieser gedehnten Zeit im parkenden Auto, weder sie, noch ich, sind fähig den Knoten zu lösen, wie ein Strick um den Hals der zu fest sitzt als das man auch nur den kleinen Finger dazwischen bekäme, um ihn zu lösen, um frei atmen zu können. Das sei der Grund warum sie diese vielen Dinge um sich hätte, Haus, Hof, Katzen, Hunde, Hühner, Pferde, ein Hausschwein, Hasen und nicht zu vergessen, zwei liebe Kinder und einen, sie liebenden Mann. Es gäbe ihr wenig Raum zum Denken, ständig sei ja etwas zu tun, was sie so sehr beschäftigt, das sie immer einen gesunden Abstand zu den Dingen habe, die ihre Schlinge bedeuten. Mit jenem Strick, dieser Schlinge verhält es sich, als habe man sich mit Leibeskräften bis zum Galgen hochgezogen und hätte es letztendlich noch geschafft, das Seil vom Holz zu lösen, bevor dieses Konstrukt einem das Leben nimmt. Nur, wie gesagt, lösen lässt er sich nicht oder aber man will ihn nicht lösen, ein Kuriosum, immernoch zu fest um den Hals geschlungen nimmt er einem nach wie vor genug Luft, um unbeschwert atmen zu können doch scheinbar schlimmer, löst man ihn, zeigt man aller Welt die Verletzlichkeit, den Striemen um den Hals. So trägt man die Schlinge fast stolz, erhobenen Hauptes, man ist hart im Nehmen geworden. Gemeinsamkeiten fallen mir unaufhaltsam auf. In Momenten der Ruhe, in Phasen, in denen man sich durch Routine an die anfallenden Aufgaben, die einen eigentlich vom Denken abhalten sollen, gewöhnt hat, tritt bei uns beiden gleichermaßen ein Zustand ein, der uns gnadenlos in seiner Gewalt hat. Folge dessen sind die Nächte, die uns mitten in der Nacht wach werden lassen, innere Unruhe aufkommen lassen. Ja, sobald ein wenig Platz gegeben ist greift Erinnerung, sowie die Unfähigkeit des Friedenfindens, ja des Verzeihens, mit kalten Fingern nach unserem Gemüt. Bis wir beide wieder Dinge finden, andere wieder verdrängen, welche uns erlauben wieder in jene gedankenlose Routine einzutauchen, unseren Weg mit erhobenen Haupt weiter zu gehen.
Wir kommen nicht weiter, dies ist der Platz an dem wir stehend, erhobenen Hauptes sterben werden. |