Abgehangen
Abgehangen wie eine ungarische Salami, zuerst in tausend kleinste Teile zerrissen, um dann fortwährend von allen Seiten geräuchert zu werden. Nur fühle ich mich mit der Zeit nicht würziger, sondern fader und leerer und meine Verspannungen verhärten sich stärker, als es je einer Salami gelungen sein wird. Und es ist kein Ende in Sicht. Bis ich auf den freien Markt gelassen werde, bin ich von jedem Blut leer. Alles Blutsauger! Zuletzt lud mich mein Chef zum Essen ein. Ich weiß auch nicht, was er an mir gefressen hat. Ich mache offenbar befriedigende Arbeit. Er lächelt jedenfalls immer so. Das ist nicht unbedingt angenehm. Ich arbeite zurzeit als Assistent in einem Maklerbüro und bin quasi Mädchen für alles. Der Unterschied zu meinen zahlreichen Praktika davor ist nur, dass ich bezahlt werde. Mein Chef bestellte sich standesgemäß Eisbein. Ich bestellte mir ein Steak, nicht ohne dabei fast beiläufig zu erwähnen: „Bitte richtig blutig. Man muss es sehen können.“ Es musste sichtbar sein! Als mein Chef dann zögernd in seinem Eisbein herum-stocherte, konnte ich mir meine Freude kaum verbergen und verzehrte mein vor Blut triefendes Steak umso genüsslicher und laut-reicher. Das schien zu wirken, denn mein Chef entließ mich dann nach einem für ihn ungewöhnlich tonlosem Essen früher als erwartet. Am nächsten Tag empfing mich Jenny, meine trotz ihrer 42 Jahre noch attraktive Vorgesetzte. Sie stand wie so oft kokett an den Türrahmen gelehnt und lächelte mich entwaffnend an. Und dann spulte sich das selbe Szenario ab wie jeden einzigen Tag, seitdem ich hier arbeite – und das sind immerhin bereits zwei Monate: Erst erzählte sie mir von ihrem gestrigen Erfolgen und – was sie immer leidenschaftlich auszuschmücken vermochte – den neusten Tratsch. Unser gemeinsamer Chef spielte dabei regelmäßig die Hauptrolle. Sie habe gehört, der Chef sei zuletzt bei einem seiner stets üppigen Geschäftsessen fast an einem zu großen Stück Fleisch erstickt. Und so weiter. Ich glaube, sie steht auf mich und ist eifersüchtig wegen der vielen Zuwendung, die mir der Chef schenkt. Doch statt sich mal zu trauen und mir ihre Zuneigung zu zeigen, endete sie jeden Morgen ihre Begrüßung mit einem Haufen neuer Aufgaben, bei denen ich stets in ihrer Nähe sein musste. So bekam ich von Tag zu Tag mehr Arbeit. Ich könnte platzen. Alles Blutsauger! |