Die Ernte des Phönix
Ein alter Apfelpflücker war auf der Suche nach einer Ernte. Mit krummem Rücken und gebeugter Seele zog er sich dahin. Eines Nachts hörte er das Lied einer Mercedes und wurde vom einem Sehnen ergriffen. Er entschloss sich, einmal selbst zu ernten. Ohne Plantagenbesitzer. Nur für sich. Also hielt er am nächsten Morgen ausschau nach einem geeigneten Baum, an dem es nicht so bald auffallen würde, dass etwas fehlte. Doch er zögerte noch. Zahlreiche Striemen auf seinen Armen erzählten von den schmerzhaften Strafen der Plantagenbesitzer für diejenigen, welche nur versucht hatten, von den Früchten zu naschen. Schließlich fand er einen Baum, der so dichtes Laub hatte, dass er ihm geeignet schien. Ganz oben in der Krone des Baumes fiel ihm sogleich ein wunderpraller, frischer Apfel auf, der seltsamerweise die Form einer Leber hatte. Als er geschwind den Stamm hinaufkletterte, musste er sich fragen: „Wie lange der wohl auf seine Ernte gewartet hat?“ Oben angekommen pflückte er die Frucht und biss genüsslich hinein. Da kam ein Phönix angeflogen mit Feuerschweif und lieblicher Musik und verspeiste feierlich den Apfel, indem er immer ein paar Mal in die leberförmige Frucht pickte und dann dem Alten ein großes Stück abgab. Dann wieder ein paar Mal pickte, dann wieder etwas abgab… usw. Schließlich schluckte der Vogel den gesamten übrigen Apfel mitsamt Stiel mit einem Mal hinunter. Sofort, nachdem er das getan hatte, schrumpfte er plötzlich in sich zusammen. Er wurde immer kleiner, bis er letztlich die Größe eines Apfels hatte – und genau so aussah. So hing auf einmal wieder der prächtige, frische Apfel am Baum, der selbe, der zuvor dort auch gehangen hatte. Ein wenig verwirrt griff der Alte erneut nach der wunderbaren Frucht. Er wunderte sich aber nicht länger, als abermals der Phönix angeflogen kam, nur diesmal aus einer anderen Himmelsrichtung, und genoss umso mehr das Festmahl. Gesättigt und frohen Mutes steckte er sich den neugewonnenen Apfel in die Tasche und machte sich schnell davon. Am nächsten Morgen von der Sonne geweckt, schaute er gleich nach dem Prachtapfel. Doch dieser war verschwunden, wie ein geschlüpftes Kücken ausgeflogen. Nur eine feuerrote Feder war in der Taschezu finden und zeugte vom Phönix. Von jenen Tagen an wusste der alte Mann, dass auf allen seinen Wegen immer irgendwo hinter dem Horizont ein Phönix auf einem Baum sitzt und seine Ernte feiert.
) 5.12.07 ( |